Stille ist immer da. Aber „hörst“ Du sie auch?
Manchmal ist es in uns so laut, daß es schier unmöglich ist, sie zu hören.
Ein unendlicher Strom aus Gedanken, der nie abzureißen scheint, verhindert es. Es geht uns alles Mögliche durch den Kopf, wir kommen vom Hundertsten ins Tausendste, ratter, ratter, ratter…
Ich bin sicher, Du kennst das auch.
Aber die Stille ist hier. In jedem Augenblick. Auch jetzt. Jetzt. Jetzt.
Wenn wir nach ihr suchen, werden wir sie nicht finden.
Warum ist das so? Stellen wir uns doch erstmal die Frage: Wer ist es denn eigentlich, der sucht?
Es ist der Verstand, der sich selbst diese Aufgabe stellt. Der Verstand will immer was zu tun haben. Er will analysieren, bewerten, urteilen, vergleichen, abwägen, Entscheidungen treffen, streiten, Recht haben, beleidigt sein, dies und das tun, planen, forschen, suchen…
Aber der Verstand kennt die Stille nicht. Er kann sie nicht finden. Und daher bleibt es bei der Suche.
Wie und wo treffen wir dann die Stille?
Suche nicht nach ihr. Lasse Dich von der Stille finden.
Sich finden lassen heißt, daß wir dafür bereit sein müssen. Offen. Empfänglich. Wenn wir uns hinter unserem Geschwätz in unserem Kopf verstecken, kann sie nicht zu uns durchdringen. Alles, was wir also brauchen, ist eine kleine Lücke in unserem Gedankenstrom.
Die kleine Lücke – das Tor zur Stille
Es bedarf als erstes unsere Entscheidung und unsere Absicht.
Unsere Intention: „Ich rufe die Stille“ bereitet den Weg. Wir bringen damit zum Ausdruck, daß wir unsere Aufmerksamkeit von dem Gedankenstrom abziehen und bereit sind für Stille. Es braucht unsere Bereitwilligkeit. Kein Wollen. Kein Tun.
Wenn es uns schwer fällt, die Gedanken loszulassen, wenn sich immer wieder ein Gedanke aufdrängt, dann hilft Atmen:
Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf unseren Atem. Wir beobachten ihn. Wir machen nichts mit ihm. Nur beobachten. Wir verfolgen seinen Weg durch die Nase in den Körper, wir spüren die kalte Luft beim Einatmen, nehmen wahr, wie sich die Bauchdecke hebt und beim Ausatmen wieder senkt, spüren die erwärmte Luft ausströmen… Wir nehmen einfach alles wahr.
Nichts anderes, nur atmen. Es geschieht von ganz allein.
Lass Dich vom Atem in die Stille tragen
Nach einer Weile des Beobachtens nehmen wir wahr, wie ruhig es jetzt ist. Wie still. Wir lassen uns in diesen stillen Raum fallen.
Nur noch Stille und atmen. Stiller Raum und atmen. Das ist, was gerade ist.
In diesem Ozean der Stille ist Atmen. Dann taucht vielleicht ein Geräusch auf und verhallt wieder. Ein Gefühl wird vielleicht wahrgenommen und es geht wieder. Ein Gedanke, der vorbeizieht…
Was auch immer in der Stille erscheint, wir nehmen es wahr. Wir machen nichts damit. Es erscheint wie eine Blase im stillen Raum und löst sich wieder auf. Oder wie eine Welle, die sich auftürmt und wieder in die Weite des Ozeans zurückkehrt.
Alles kommt aus der Stille und geht wieder in die Stille. Das ist das Leben.
Identifikation
Wenn nun aus dieser Stille ein Gedanke, ein Gefühl, ein Geräusch auftaucht und wir halten daran fest, wir lassen uns also darauf ein, dann ist dies der Moment, wo unser Verstand wieder ins Spiel kommt. Der Verstand (Ego, Persönlichkeits-Ich) spinnt wieder seine Geschichten dazu. Wir sind sofort in dieser Geschichte (Konditionierungen, Muster, Glaubenssätze…) drin und damit identifiziert. Wir gehen aus der Bewusstheit in die Unbewusstheit.
Aus der Unbewusstheit in die Bewusstheit
Wenn wir uns aber der Stille bewusst sind und als stiller Beobachter die Wellen (Gedanken, Emotionen, Geräusche…) nur wahrnehmen, ohne uns daran anzuhaften, wird uns klar, daß wir die Wellen nicht sein können. Alle Erscheinungen, die aus der Stille (auch Licht, Liebe, Gott, Bewusstheit… genannt) auftauchen und bravourös im Raum- und Zeitkontinuum ihre Rollen spielen, lösen sich in der unendlichen und grenzenlosen Stille wieder auf.
Diese Rollen, die wir und jeder und alles in der Welt spielt, können wir als Beobachter aus der Stille klar erkennen. Wir können aus dieser Perspektive (dem SEIN) eine freie Wahl treffen. Freie Entscheidungen, Aktion statt Reaktion.
Wir erkennen unsere und ihre Rolle und haben Verständnis und Mitgefühl für unsere „Mitspieler“, versuchen nicht mehr, alles zu bewerten und zu be- und verurteilen und können selbst unseren vermeintlich größten „Feinden“ Liebe entgegenbringen.
Werden Lösungen gebraucht für unsere alltäglichen Herausforderungen, so kommen die Impulse ebenfalls aus der Stille. Der Verstand wird dann zu unserem Diener und nicht zum Herrn. Wir werden vom unbewussten Schöpfer zum bewussten Schöpfer unseres Lebens.
Innere Ruhe, Frieden und Gelassenheit
Das Denken und Fühlen macht die Welt aus, in der wir leben. Oft sind wir so verstrickt in unserem Tun und Machen, in unseren Gefühlen.
Wir fühlen uns oft wie getrieben, gesellschaftlichen Normen unterworfen, gehetzt, verpflichtet, geplagt von Schuldgefühlen oder von Anforderungen überrollt. Manchmal auch klein und bedeutungslos, manchmal auch selbstherrlich und fern der Realität. Und mit so mancher Herausforderung konfrontiert. Unsere Gedanken schlagen Purzelbäume.
Kein Wunder, daß diese kleine Lücke - das Tor zur Stille - verborgen bleibt. Das muß aber nicht so sein. Es liegt an uns selber.
Wir können uns bewusst immer wieder Momente nehmen, in die Stille einzutauchen. Uns zu spüren und wahrzunehmen, was gerade ist.
Und wenn es jeden Tag nur ein paar Minuten sind.
So wird die kleine Lücke immer größer und wir erkennen, daß wir mehr sind als das. Im Grunde sind wir frei und eine unermessliche Energie steht uns zur Verfügung. Wir können neue Kraft schöpfen und wieder auftanken und uns zentrieren. Und – wer weiß – vielleicht bleiben wir uns irgendwann permanent der Stille im Hintergrund gewahr und meistern unser irdisches Leben aus diesem Seins-Zustand heraus.
Denn was steht hinter all dem Denken und Fühlen? Es ist die Stille.
Sie ist die Grundlage von Allem. Der Kern, die Essenz, der Urgrund. Sie ist das Licht. Sie ist Liebe pur.
Das ist, was wir wirklich sind. Das ist unser wahres SEIN.
27.01.2019